Flanderninfo.be (09/2013)   Auffallend: 4 von 10 Belgiern sprechen keine Fremdsprache

Deutsche Welle (04/2015): Ammon: Deutschlernen ist wieder attraktiv

Deutschkurse bei Linguapolis

Deutsch in Belgien - Momentaufnahme und Zukunftsperspektiven

Am 6. Mai 2013 fand an der Universität Antwerpen eine Podiumsdiskussion zum Thema „Deutsch in Belgien – Momentaufnahme und Zukunftsperspektiven“ statt. Diese Veranstaltung war eine Kooperation von Deutschcafé und dem Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverband (BGDV) mit finanzieller Unterstützung der Abteilung Sprachwissenschaft (Universität Antwerpen).

In folgenden Medien wurde über diese Veranstaltung berichtet:

Bei der Diskussion waren Vertreter unterschiedlichster Organisationen anwesend:

Jan Kruse - "Der Stellenwert des Deutschen in der Europäischen Union"

Sprachwissenschaftler, Universität Duisburg-Essen 

Als Einstieg in das Thema erläuterte Jan Kruse in einem Orientierungsvortrag den Stellenwert des Deutschen in der Europäischen U nion. Zu Beginn werden einige Zahlen offengelegt: Das Deutsche hat ca. 90 Millionen Muttersprachler und ist in 6 von 27 europäischen Ländern Amtssprache. Zudem ist Deutsch eine der drei Verfahrenssprachen in der EU, jedoch nicht in anderen internationalen Organisationen. Allerdings kann die deutsche Sprache derzeit 6.9 Millionen Fremdsprachenlerner verzeichnen.

Deutsch ist die meistgesprochene Muttersprache in der EU. Schon aufgrund dieser Größe hat Deutschland einen großen Vorteil davon, dass Sprecher des Deutschen in dieser Sprache in und mit den Institutionen kommunizieren können (Ammon 2007, 99). Die deutschen Vertreter in der EU, die ausländischen Lehrer von Deutsch als Fremdsprache, international tätige Unternehmen und international Publizierende sowie Personen und Gruppierungen, die mit Institutionen der EU in Verbindung stehen, haben ein starkes Interesse daran, diesen Kontakt in ihrer Sprache aufrecht erhalten zu können. In ihrer eigenen Sprache fällt ihnen sowohl die Bewertung von Informationen leichter als auch die Einflussnahme in Richtung der Institutionen, da Übersetzungsprozesse wegfallen, beziehungsweise anderen Personen und Organen vorbehalten bleiben.

Die Befürchtungen sind allerdings, dass die Lernerzahlen für Deutsch zurückgehen, die Sprache im Ausland an Bedeutung verliert, die Sprache verfällt und dass sich die EU zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ entwickelt.

Die Sprachenpolitik der EU : Seit 1984 fordert die Europäische Union (EU) von allen Unionsbürgern, neben ihrer Muttersprache zwei weitere Fremdsprachen zu beherrschen.

Ziel der Dreisprachigkeit

  1. Mobilität
  2. Erhalt der Sprachenvielfalt (Abwehr einer Vormachtstellung des Englischen)
  3. Europäische Identität
  4. Europäische Dimension im Bildungswesen
  5. Förderung der EU-Binnenwirtschaft

Grazia Berger - Moderation

Dozentin für Deutsch an der Université Saint-Louis und der Handelskammer, Brüssel 

Grazia Berger leitete die Diskussion. Sie stellte Fragen an die Runde zu den Themen

  • Deutsch in Europa
  • Deutsch in der Wirtschaft
  • Deutsch in der Schule
  • Deutsch in Belgien
  • Deutsch in der Erwachsenenbildung


Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der Diskussion aus der Sicht von Grazia Berger:

Die Stellung des Deutschen in Europa 
Wie ist diese Stellung zu verteidigen? Kaum jemand benutzt Deutsch noch, fast alle Texte der Parlamentarier sind auf Englisch und werden nicht mehr übersetzt. Es entstehen Verständnisprobleme, Texte werden manchmal nicht gelesen, weil sie auf Englisch sind.

Deutsch in der Wirtschaft: 
Die Nachfrage ist größer als das Angebot (vor allem ïn Lüttich und Antwerpen). Gebraucht werden Leute, die die Sprache wirklich gut können und auch interkulturelle Kompetenz besitzen. Es gibt keine Übereinstimmung zwischen dem Angebot von Deutsch in der Schule und der Nachfrage im Berufsleben. In der Schule herrscht das Shoppingsystem bei der dritten Fremdsprache, man wählt nach Geschmack und nicht nach wirtschaftlicher Notwendigkeit. Deutsch ist in den meisten Lehrplänen dritte oder vierte Sprache, oft nur Wahlsprache. Auch in der Wirtschaftsfakultät in Antwerpen kann zwischen Deutsch und Spanisch gewählt werden, was keine Korrelation mit dem realen Markt hat, wo Deutsch viel mehr gefragt ist als Spanisch.

Deutsch in der Schule: 
Kontrast Flandern (am stärksten in Europa vertreten ca. 15-18 %, am schwächsten in der Wallonien 2.7 %); Deutsch in Brüssel fast inexistent außer an Europaschulen und an der deutschen Schule

Deutsch in Belgien aus der Sicht des Goethe-Institutes: 
Vorsichtiges Werben, Englisch nur als 'tool' gesehen, womit ich nicht einverstanden war, denn die ganzen Medien, vor allem das Fernsehen, sind vor allem Englisch geprägt, auch kulturell gibt es also starke Beeinflussungen.

Deutsch in den Erwachsenenschulen haben wir etwas, ist aber stark am Steigen: 
An der Handelskammer ist die Anzahl der Neueinschreibungen zwischen 2008 und 2012 um ein Drittel gestiegen. Das Goethe-Insititut hat auch viel zu tun mit Sprachkursen zurzeit.

Allgemein 
Die Deutschen am europäischen Parlament, an der EU und in der Wirtschaft sind zu schnell geneigt, ihre Muttersprache gegen das Englische einzutauschen!

Und hier noch ein Artikel von Marion Schmitz-Reiners auf Belgieninfo.net: http://www.belgieninfo.net/artikel/view/article/vom-schweren-stand-des-deutschen/

Uwe Mohr - Goethe Institut

Leiter Spracharbeit Goethe-Institut Brüssel, vertrat in der Diskussionsrunde das Goethe Institut Brüssel. Hier finden Sie eine Zusammenfassung seiner Gedanken und Diskussionbeiträge.

 

Das Goethe-Institut fördert die Deutsche Sprache in Belgien und in Europa im Rahmen eines Mehrsprachigkeitskonzepts. Wir glauben, dass kulturelle und sprachliche Vielfalt sehr wichtig für die Zukunft junger Europäer ist und dass ihnen das Erlernen von möglichst vielen Fremdsprachen dabei hilft, ihre berufliche und private Zukunft im modernen Europa optimal zu gestalten. Weltoffenheit, Toleranz und Neugier gegenüber anderen Kulturen und Sprachen sind besondere Werte im modernen Europa, die es zu befördern gilt. Das Goethe-Institut arbeitet an diesem Ziel in enger Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Kulturinstituten und mit den europäischen Institutionen. Wir freuen uns besonders, wenn junge Belgier und Europäer Deutsch lernen wollen, arbeiten aber auch daran, dass überhaupt das Bewusstsein für das Erlernen von Fremdsprachen gestärkt wird. 

Wir glauben, dass das Erlernen der deutschen Sprache ein wichtiger Trumpf und ein Plus für junge Europäer ist und es auch leichter als andere Sprache zu lernen ist, wenn man schon Englisch gelernt hat. Für Flamen ist das Erlernen der deutschen Sprache eine gute Ergänzung ihrer Niederländisch- und Englischkenntnisse, besonders auch weil es sehr gute berufliche Perspektiven in Europa eröffnet und hilft, den Nachbarn besser zu verstehen.

Wir müssen immer wieder für das Erlernen von Deutsch werben und wollen versuchen, Interesse an und Neugier auf Deutschland und die Deutschen bei jungen Belgiern zu wecken. Dies kann nur durch witzig und innovativ gestaltete Werbekampagnen und andere interessante Projekte geschehen. Wir versuchen auch möglichst viele junge Belgier in direkten Kontakt mit jungen Deutschen zu bringen. Dabei ist wichtig, locker, entspannt und selbstkritisch aufzutreten, auch mit Selbstironie und Witz, anstatt zu jammern oder sich über den Rückgang von Deutsch in Belgien zu beklagen.

Wir alle, die wir für Deutsch werben, sind selbst wichtige Werbeträger und Botschafter für ein modernes, tolerantes und weltoffenes Deutschland und sollten dementsprechend auftreten.

Die verschiedenen Akteure in Belgien, die sich für die Vermittlung der deutschen Sprache einsetzen, sollten zusammenarbeiten und gemeinsam interessante Projekte entwickeln, um für Deutsch zu werben.

Die enge Zusammenarbeit in Europa und die geografische, kulturelle und wirtschaftliche Nähe zwischen Deutschland ubd Belgien bieten hierfür eine sehr gute Ausgangsposition.

Françoise Gallez

Dozentin für Deutsch am Institut Libre Marie Haps und den FUSL sowie in der Lehrerfortbildung 

Tom Smits

Dozent für Fachdidaktik Deutsch und Englisch an der Universität Antwerpen 

Achim Küpper

Germanist an der Universität Lüttich/FNRS, Präsident des BGDV 

Jürgen Barwich

Senior Vice President Operations, Engineering & Infrastructure von BASF, Präsident der BDGF, stellv. Vorsitzender des KULTURforums 

Oliver Paasch

Minister für Unterricht, Ausbildung und Beschäftigung in der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, war leider kurzfristig verhindert.